Viele kleinere Städte und Ortschaften im Deutschen Reich, besonders auch in Westfalen, litten vor allem in den letzten Kriegstagen unter den Einwirkungen heftiger Gefechte zwischen den zurückweichenden deutschen und den vordringenden amerikanischen Truppenverbänden. Insbesondere im April 1945, wenige Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai, kam es im heimischen Raum zu erwähnenswerten Kampfhandlungen, die noch zahlreiche Menschen das Leben kosteten. Die Alliierten versuchten zu diesem Zeitpunkt, den Kessel um das Ruhrgebiet, die deutsche Waffenschmiede, zu schließen.
Noch am 7. April versuchten deutsche Einheiten ihren Widerstand gegen die Amerikaner zu bündeln, indem sie sich vor den südlich des Haarstrangs vorrückenden Gegnern nach Wimbern zurückzogen, um in Wickede einen Meldekopf für versprengte Truppenteile zu bilden. Weiter berichtet Willi Mues in seiner Dokumentation über das Ende des zweiten Weltkrieges zwischen Lippe und Ruhr / Sieg und Lenne:
"10. April: Während der Nacht ging die 116. Panzerdivision auf folgende Linie zurück: Ruhrabschnitt von Neheim bis westlich Wickede-Bausenhagen-Lünern. Ein bei Wimbern in der Front der Division liegendes Krankenhaus wurde noch in der Nacht mit Krankenkraftwagen der Division geräumt und der Raum um das Krankenhaus von der kämpfenden Truppe ausgespart. Der Tag begann mit direktem Beschuß durch amerikanische Panzer auf den Divisionsgefechtsstand von den Höhen bei Wiehagen"
(Willi Mues: Der große Kessel, S. 328).
Die Kämpfe in der unmittelbaren Nachbarschaft Wimberns im östlichen Teil des Ruhrkessels gingen noch bis zum Waffenstillstand am Morgen des 16. April. Zuvor waren am 13. April Voßwinkel und nach dreitägigem Artilleriefeuer Echthausen besetzt worden. Bei dem Einmarsch der Amerikaner in Wimbern am 20. April wehte aus jedem Haus ein weißes Tuch als Zeichen der Kapitulation und Friedfertigkeit.
Wie in der ganzen Welt mußten auch in Wimbern und den umliegenden Ortschaften viele Opfer, die ihr Leben im Krieg verloren, beklagt werden. Dem Gedenken der Männer, die in den furchtbaren Kämpfen gefallen sind, ist auch ein Hinweis in der Friedhofskapelle in Barge gewidmet. Die schreckliche Bilanz umfaßt auch die Namen zahlreicher Schützenbrüder der St. Johannes Schützenbruderschaft:
Heinrich Beringhoff
Alfred Danne-Rasche
Helmut Fildhaut
Paul Fischer
Kaspar Goeke
Werner Goeke
Josef Guntermann
Josef Gurris, Bellingsen
Peter Gurris
Theodor Knieper
Alfons Langes
Josef Langes
Wilhelm Osterhaus
Wilhelm Richter
Josef Risse
Franz Schüpstuhl
Heinrich Schüpstuhl
Josef Schüpstuhl
Wilhelm Schüpstuhl
Wilhelm Schüpstuhl
Paul Spiekermann
Wilhelm Voß
Abbildung 45: Wie in jedem Jahr gedachten die Schützen auch 1990 vor Beginn des Hochamtes am Schützenfestsamstag der gefallenen und Verstorbenen ihrer Bruderschaft, zu deren Ehren sie einen Kranz in der Friedhofskapelle niederlegen.
Abbildung 46: Das Schützenhochamt und die Totenehrung 1990 zelebrierte Vikar Lingemann (v.l.n.r.: Franz Korte, König Jürgen Malchus, Brudermeister Caspar Bilge sowie die Adjutanten und Fahnenoffiziere, rechts im Bild Vikar Alfons Lingemann).
Im Anschluß an den verlorenen zweiten Weltkrieg hatten die Schützenvereine der drei westlichen Besatzungszonen zunächst keine Möglichkeit, an das Vereinsleben der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Sie wurden von den Alliierten als paramilitärische Vereinigungen verboten. Erst 1947 brachten Bemühungen der katholischen Kirche in Deutschland einen Ausweg: Sie erreichten die Zulassung von Schützenbruderschaften als mit der Kirche verbundene Vereinigungen. Im Zuge dieser Entwicklung kam es zur zweiten Namensänderung der Vereinsgeschichte: Nachdem der Gründungsname, der 1891 "Bruderschaftsverein zu Wimbern" gelautet hatte, 1893 in "Schützenverein" umbenannt worden war, gab man sich am 28. Dezember 1947 den Namen "St. Johannes Schützenbruderschaft Wimbern im Diözesanverband vom hl. Sebastianus im Bistum Paderborn". Unter der Leitung des Brudermeisters Franz Schriek beschloß die Versammlung darüber hinaus, sich den Historischen Deutschen Schützenbruderschaften Köln anzuschließen.
Damit war nach achtjähriger Unterbrechung im Juli 1948 - kurz nach dem Beginn der "Luftbrücke Berlin" am 8. Juli - wieder das Feiern eines zweitägigen Schützenfestes möglich. Wenige Tage zuvor, am 20. Juni, war die Währungsreform in Kraft getreten: Die Bewohner der drei Westzonen - somit auch die unter britischer Besatzung stehenden Westfalen - erhielten mit ihren Lebensmittelkarten im Tausch 1:1 für vierzig Reichsmark vierzig neue Deutsche Mark.
Die wirtschaftliche Not, unter der die Bevölkerung in dieser Zeit litt, tat der Feststimmung jedoch keinen Abbruch. Wurden auch zahlreiche Schützenbrüder, die im Krieg gefallen oder in den vergangenen Jahren gestorben waren, schmerzlich vermißt, so war das Bedürfnis, endlich wieder fröhlich feiern zu können, doch sehr groß.
Früher waren während der Schützenfeste in einer provisorischen, nicht ummauerten Küche, die durch ein Schleppdach nur notdürftig vor Witterungseinflüssen schützte, vor allem Bratheringe verkauft worden. Obwohl Caspar Schumacher jedoch noch vor dem ersten Nachkriegsschützenfest einen festen unterkellerten Raum baute, in dem ein riesiger Wehrmachtsherd aufgestellt wurde, übernahmen Vorstandsmitglieder während des Schützenfestes 1948 die Beköstigung der Musiker. Zu den Schützenfesten wurde die Halle, in der im Jahresverlauf Schumachers Dreschkästen und die Ernten Wimberner Bürger gelagert waren, ausgeräumt.
Bereits die ersten Schützenfeste erleichterten zahlreichen neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die es durch die Kriegswirren nach Wimbern verschlagen hatte, die Eingliederung ein wenig. Sicherlich war es gerade in einem so kleinen Ort sehr schwierig, Fuß zu fassen, doch zahlreiche neue Schützenbrüder wurden fest in unsere Bruderschaft integriert und zu tragenden Kräften im Dorf- und Vereinsleben.
Doch zurück zum Schützenfest 1948: Zwar hatte die Generalversammlung beschlossen, die Königswürde in Ermangelung von Feuerwaffen nach Möglichkeit mit der Armbrust auszuschießen oder aber durch Gänseköpfen zu vergeben; doch wurde der erste Nachkriegskönig - Bernhard Hornkamp - schließlich auf ganz andere Weise ermittelt: Der Kampf um die Königswürde entschied sich durch Steinwürfe nach dem Holzvogel, der durch Fäden an einem Kranz von Glühbirnen befestigt war. War die letzte Birne getroffen, so fiel der ganze Adler aus seinem Horst.
Zuvor hatten sich die Schützenbrüder bereits um 6.30 Uhr auf dem Festplatz zum gemeinsamen Kirchgang eingefunden, obwohl man am Vorabend bereits kräftig gefeiert hatte. So konnte der langjährige Schriftführer Franz Risse dann auch vermerken:
"Hochwürden Herr Pfarrvikar Becker als Präses nahm an den feierlichen Festakten redlichen Anteil. Selbst das in altgewohnter Weise gefeierte Fest wurde zu seiner Befriedigung durchgeführt."
Nach dem Vogelschießen zogen die Frauen der Schützenbrüder mit Eimern, Zucker, Eiern und Schneebesen zum Festplatz, um dort das beliebte Eierbier anzurühren. Der doch etwas eigenwillige Geschmack und vor allem der strenge Geruch der Gläser am nächsten Tag ließen die Gewohnheit des Eierbiertrinkens aber nach einigen Jahren einschlafen.
Neben den rechtlichen Schwierigkeiten, die dem Feiern des ersten Nachkriegsschützenfestes im Wege gestanden hatten, mußten noch einige andere Probleme gelöst werden; so befand sich die Halle infolge des Krieges offensichtlich in einem schlechten Zustand. Besonderes Lob für ihre Mithilfe bei den Aufräumungs- und Wiederaufbauarbeiten verdiente sich die Wimberner Jugend. In welch desolatem Zustand sich die Halle befand, zeigt auch ein Hinweis in der Vereinschronik, der besagt:
"Der kommenden Generation zur Kenntnis sei folgende Tatsache festgelegt: Nach Feststellung des Schützenvorstandes fehlten folgende Gegenstände:
Der Kassiererraum halb,
Unterlagen des Fußbodens,
22 Bänke, 7 Tische, fast sämtliche Pfähle und zehn Fuß Bodenbretter."
(An dieser Stelle sei angemerkt, daß es sich bei der bisher benutzten Kartenbude nicht um die besagte 1948 fehlende Hälfte des Kassiererraums handelt.)
Abbildung 47: Gerhard Coerdt, Reinhard Fildhaut und Edmund Schmidt beim Dienst an der Kartenbude.
Zur Eintragung der Schützenbruderschaft ins Vereinsregister kam es erst 1950, um die Freigabe des von den Alliierten gesperrten Vereinsvermögens zu erreichen.
Während die einstimmige Entscheidung für die Eintragung ins Vereinsregister in einer außerordentlichen Vollversammlung im März fiel, fanden die ordentlichen Jahreshauptversammlungen der Nachkriegszeit zunächst jährlich am Ostermontag statt. Daß diese Gewohnheit das enge Verhältnis zur Kirche keineswegs trübte, beweist nicht nur eine Entscheidung aus demselben Jahr, die jedem Schützenbruder die Teilnahme sowohl an den Festzügen als auch am Kirchgang auferlegte. Auch der in Barge neueingeführte Pfarrvikar Stracke untermauerte - wie die Chronik zu berichten weiß - bei seiner Vorstellung als Präses die Verbundenheit: "Er gab kund, daß es ihm eine Freude sei, als Präses der Bruderschaft vorzustehen." Dieser Freude verlieh er dann auch gemeinsam mit Pfarrvikar a.D. Stratmann auf vielen Festen so lange und ausgiebig Ausdruck, daß er sich nach oftmaligem Aufsuchen der Kaffee- und Biertheke von einem Schützenbruder den Rat geben lassen mußte: "Drink nit seau viell Beuer, dann briuks de eauk nit seau viell Kaffeu." (Trink nicht soviel Bier, dann brauchst Du auch nicht soviel Kaffee.)
Offensichtlich zeigte sich 1950 nicht nur die Vereinskasse durch die Freigabe des Vereinsvermögens am 2. November erholt, so daß das Schußgeld für den König von 40 auf 60 DM angehoben werden konnte, sondern der vorsichtige wirtschaftliche Aufschwung erlaubte auch zahlreichen Schützenbrüdern die Anschaffung neuer Mützen. Daß "made in Germany" bereits damals ein Qualitätssiegel war, beweist die Tatsache, daß heute noch zahlreiche dieser "Kopfbedeckungen der ersten Stunde" auf den Wimberner Schützenfesten zu bewundern sind.
Was das Ringen um die Königswürde anbelangt, machte man 1950 einen Fortschritt: Zwar waren die ab 1954 benutzten Jagdgewehre noch nicht wieder erlaubt, doch konnte der Steinwurf durch den Schuß mit Kleinkalibergewehr bzw. "Luftbüchse" abgelöst werden, obwohl erst am 9. Juli 1951 von den Westalliierten die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland erklärt wurde. Gezielt wurde aber nach wie vor nicht auf den Vogel selbst, sondern auf die Glühbirnen, an denen er befestigt war.
Auf der Jahreshauptversammlung 1951 wurde beschlossen, jeden Schützenbruder, der nicht an den Festzügen teilnahm, mit einer Strafe von 2 DM zu belegen - eine Regelung, die der Bruderschaft heute bedauerlicherweise sicher einen warmen Geldregen bescheren würde! Auf dem Fest des 60jährigen Jubiläums aber, das übrigens erstmals mit dem Weckruf einer Musikkapelle eingeleitet wurde, gab es keinen Grund, über die Beteiligung an den Festzügen zu klagen. Im Gegenteil war der Festzug durch geschmückte Pferdewagen und die erstmalige Teilnahme von Gastvereinen aus den benachbarten Ortschaften besonders prunkvoll.
Abbildung 48: Pferde spielten auf den Wimberner Schützenfesten eine große Rolle - Brudermeister und Adjutanten waren in den 50er Jahren beritten, so auch auf diesem Bild von 1951, v.l.n.r.:Caspar Bilge, Wilhelm Brunert und Franz Fildhaut, der sich mit seinem Pferd "Condor" sogar auf der Tanzfläche sicher bewegte.
Abbildung 49: Die Kutsche des Königspaares von 1952 - v.l.n.r.: Franz Schröder, dem später das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, N.N., Königin Maria Fildhaut, Maria Goeke, König Caspar Schumacher, als Eskorte Caspar Bilge und Franz Korte.
Abbildung 50: Schützenfest 1951 - v.l.n.r.: Franz Schröder, Maria Beringhoff, Marita Luxemburger, Königin Käthe Bilge, König Franz Korte, Bürgermeister Josef Sartorius.
Abbildung 51: Antreten der Schützenbrüder, v.l.n.r.: Willi Schulte, Franz Korte, Günter Gutland, Johann Heinrich, Georg Patcek, Josef Wälter, Josef Knieper, Willi Luig, Franz Schmidt, Walter Hagenschulte, Heiner Bilge, Heinrich Bettermann, N.N., Egon Gurris, N.N., N.N.
Abbildung 52: Schützenfest 1953 - Der Festzug mit mehreren Kutschen bot ein prachtvolle Bild; die vorausfahrende Kutsche mit König Georg Ptacek und Königin Mathilde Schüpstuhl (verdeckt) mit Eskorte.
Abbildung 53: Schützenvogel mit den königlichen Insignien Krone, Zepter und Apfel
1951 war es auch, als der langjährige spätere Brudermeister Alfred Luig erstmals den Schützenvogel erstellte, so daß er 1991 neben dem 100jährigen Vereinsbestehen auch ein kleines 40jähriges "Vogelbauerjubiläum" feiern kann.
Eine lange Tradition hat aber auch ein unerfreulicheres Thema: Bereits im Jahresbericht 1952 findet sich ein Hinweis auf Meinungsverschiedenheiten mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Es wird berichtet über die kostenpflichtige Zurückweisung einer Klage dieser Gesellschaft gegen die Schützenbruderschaft, die Zahlungsforderungen nicht nachgekommen war. Auch in den letzten Jahren kam es auf den Jahreshauptversammlungen wiederholt zu heftigen Diskussionen über Berechtigung und Höhe erhobener Tantiemen.
In der damaligen Zeit gab es - abgesehen von den beliebten "Laurentia"- Auftritten des "Laienpuppenspielers" Christoph Schüpstuhl in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg - noch keine Kinderbelustigung; auch die Aufwendungen des Vereins für Süßigkeiten betrugen 1955 ganze 3.- DM (!), so daß eine abendliche Polonäse gleichzeitig Höhepunkt und Ende des Festtages für die Kinder war. Zu vorgerückter Stunde wurde dann auch die Schützenfahne unter reger Teilnahme der Festbesucher und -besucherinnen auf Goeken Hof getragen.
Doch offensichtlich klappte es weder mit dem Heimbringen der Kinder noch mit dem nächtlichen Verhalten der Festgäste immer so, wie es sich die Barger Geistlichkeit vorstellte. Denn wie der Chronist zu berichten weiß, ergriff Vikar Stracke im Verlauf der Jahreshauptversammlung 1954 das Wort nicht nur, um Glaube, Sitte und Heimat als Aufgaben der Bruderschaften zu erläutern.
"Außerdem rügte er das Verhalten während des Festes in den Abendstunden. Nach seinen Ausführungen müßten die Jugendlichen rechtzeitig den Festplatz verlassen und forderte die Schützen auf, der Jugend ein entsprechendes Beispiel zu geben."
Bei den anstehenden Vorstandsneuwahlen trat der verdiente Brudermeister Franz Schriek, der sein Amt insgesamt zehn Jahre bekleidet hatte, zurück und wurde durch Karl Köttendorf abgelöst.
Veränderungen gab es auch von der Generalversammlung 1955 zu vermerken, an der erstmals Pfarrvikar Agethen teilnahm: Bis zu diesem Jahr war es üblich, daß der königliche Hofstaat nur aus Frauen bestand. Die Neuregelung jedoch lautete folgendermaßen:
"Die Zusammenstellung des Hofstaates übernimmt der König in der Form, daß er vier Hofherren bestellt und diese ihre Damen. Die Begleichung der Rechnung soll dem König und den Herren überlassen werden."
Abbildung 54: Schützenfest 1955 - erstmals bestimmte der König seine Hofherren, die ihre Hofdamen wählten; v.l.n.r.: Toni und Heinrich Goeke, Anneliese Schriek und Heinz Schumacher, Königspaar Elisabeth und Franz Bürmann, Ursula und Gerd Bürmann, Margret Ostermann und Karl Bürmann.
Eine Regelung, die noch heute mancher König bedauern mag, ist er doch seither nicht mehr einziger Hahn im Korbe.
Eine andere Entscheidung jener Zeit - statt der gewohnten Eintrittskarten Tanzkarten zu vergeben - hatte weitaus kürzeren Bestand als die Verpflichtung Arnold Schusters, der mit seiner Schießbude bis in die 70er Jahre treuer Begleiter der Wimberner Schützenfeste blieb.
Im Zusammenhang mit Tanzen ist noch eine interessante Gepflogenheit zu vermerken, die es trotz regen Andrangs allen Tänzerinnen und Tänzern erlaubte, zum beliebten Walzer, Foxtrott oder Schieber zu kommen. Es wurde kurzerhand ein Seil über die Tanzfläche gespannt, mit dem die Paare aus einem Ausgang herausgeschoben wurden. Sie gingen dann hinter der Halle entlang, um am Eingang erneut zum Tanze anzustehen. (Einigen kam diese Unterbrechung sicher sehr gelegen - sei es, um ein wenig zu verschnaufen oder die Liebste innigster Zuneigung zu versichern!)
Chronistenpflicht war es außerdem, über erneute Forderungen der GEMA in diesem Jahr zu berichten, die erheblich weniger Freude hervorgerufen haben dürften, als der Beschluß, auf zukünftigen Festen die Toiletten zu beleuchten.
Ebenfalls 1955 löste der Spielmannszug Voßwinkel den Spielmannszug der Feuerwehrkapelle Wickede bei der musikalischen Begleitung der Festzüge ab. Daraus entstand ein inzwischen schon traditionell gutes Verhältnis, als dessen jährlicher Höhepunkt sicherlich die Reveille am Morgen des Schützenfestsonntags betrachtet werden darf.
Für das Jahr 1955 gibt es noch eine interessante Begebenheit aus dem "Dunstkreis" des Schützenvereins zu erzählen: Anfang der 50er Jahre hatten sich einige junge Männer, die der Bruderschaft angehörten, zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die sich die "Caballeros" nannte. Zu erkennen waren die bis zu 25 Männer an Strohhüten in "Kreissägenform". Im Jahr 1955 unternahmen sie für damalige Verhältnisse Ungeheuerliches: Sie machten einen gemeinsamen Ausflug mit unverheirateten jungen Frauen zur Ahr - ein Ereignis das Wimbern in Atem hielt! (Dieser Ausflug fand übrigens am 11. und 12. September statt, also unmittelbar am Namenstag der zahlreichen Marias in Wimbern. So wurden große Mengen Wein als Namenstagsgeschenke eingekauft. Es ist jedoch verbürgt, daß nur wenige Flaschen davon die Heimfahrt überstanden und ihren Bestimmungsort erreichten ...)
Abbildung 55: Einige der "Caballeros"; v.l.n.r. hintere Reihe: Paul Hagenschulte, Theo Fildhaut, Hubert Fischer, Werner Schwarz, Willi Schulte, Alfons Goeke; vordere Reihe: Franz Goeke, Franz Korte, Georg Ptacek
Damals wie heute wurde die Vorbereitung des Schützenplatzes zum Fest in Gemeinschaftsarbeit geleistet. Jedoch waren die Arbeiten an der alten Halle, die bis 1967 als Schützendomizil diente und 1989 abgerissen wurde, ungleich mühseliger als an der heutigen. Es mußten nicht nur eine Einfriedung errichtet, Theken aufgebaut, für Beleuchtung gesorgt und Fußböden gelegt werden; besonders war das bereits beschriebene Aufschlagen von Tischen und Bänken eine schweißtreibende Angelegenheit, zumal der Untergrund auf "Helmigs Ufer" aus hartem Schieferboden besteht. Auch das war sicher ein Grund dafür, daß sich die Schützen 1956 entschlossen, nicht mehr nur zwei, sondern drei Tage zu feiern. Eine Ausdehnung der offiziellen Schützenfesttage auf den Samstag war allerdings durch den gewohnten Kommersabend vorbereitet und behördlicherseits gab es - anders als bei der Verlängerung der Feste Ende des 19. Jahrhunderts - keine Schwierigkeiten.
Für die nächtliche Bewachung des Festplatzes wurden damals übrigens immerhin 20 DM gezahlt.
In der Zeit seit ihrem Bau 1898 hatte der Zustand der Schützenhalle nicht nur unter den Einflüssen zweier Weltkriege stark gelitten. Deshalb entschloß man sich 1957 zu einer Umbaumaßnahme, die der Halle jenes Aussehen verlieh, das sie bis zu ihrem Abriß 1989 weitgehend behielt: Die Nord- und Westseite wurden massiv ausgebaut. Die Kosten für diese Baumaßnahme bedingten gleichzeitig, daß einem früheren Beschluß der Mitgliederversammlung, eine Plane zur Vergrößerung der Halle anzuschaffen, erst ein Jahr später Rechnung getragen werden konnte. Diese vom Vorstand kurzfristig zu treffende Entscheidung wurde nachträglich von der Generalversammlung fast einstimmig unterstützt.
Abbildung 56: Trotz - oder vielleicht gerade wegen - der Mühen, die das Herrichten der alten Halle kostete, ließ sich dort gemütlich feiern, wie diese Aufnahme mit Fritz Knieper und Caspar Schumacher zeigt.
Wurde bis 1958 der Termin für das Schützenfest jährlich neu diskutiert und i.d.R. auf Termine zwischen Mitte Mai und Mitte Juni gelegt, so entschieden sich die Schützen nun, in Zukunft immer am ersten Juniwochenende zu feiern.
Im Jahr 1960 wurde eine Reihe von altgedienten Schützenbrüdern geehrt, unter denen sich auch das letzte damals noch lebende Gründungsmitglied Wilhelm Sturzenhecker befand. Er war es auch, der sich in jenen Jahren bei einem Besuch von Vorstandsmitgliedern anläßlich seines 90. Geburtstages an die eingangs angesprochene Überlieferung erinnerte, die besagte, in Wimbern seien bereits lange vor der Vereinsgründung 1891 Schützenfeste gefeiert worden.
Abbildung 57: Schützenfest in der zweiten Hälfte der 50er Jahre - Der Spielmannszug Voßwinkel ist seit 1955 vom Wimberner Schützenfest nicht mehr wegzudenken.
Abbildung 58: Krankenbesuch bei Johann Heinrich im Park der alten Krankenhausbaracken durch Josef Risse, Fritz Osterhaus und Stephan Hainka.
Seit 1960 findet das Schützenhochamt nicht mehr montags morgens statt, sondern auf Anregung Vikar Agethens wurde es auf den Sonntag verschoben. Außerdem wurde beschlossen, das Fest mit dem Abholen des Brudermeisters zu beginnen. Auch konnte man damals noch das Risiko eingehen, den Vogel bereits samstags auf die unbewachte Stange am Wimberner Stühlchen zu setzen, ohne befürchten zu müssen, daß er montags "ausgeflogen" sein könnte. Vielleicht war der Vogel aber auch nur deshalb in Sicherheit, weil sich bei dem Wetter, das damals in der Regel auf Wimberner Schützenfesten herrschte, kein Spitzbube vor die Tür begab. Der alljährliche Regenguß, der die Feste in der alten Halle begleitete, führte 1960 zu einem Beschluß, den die MENDENER ZEITUNG wie folgt kommentierte:
"Der Vorstand der St.-Johannes-Schützenbruderschaft in Wimbern hat beschlossen: Zum Fest des Jahres 1961 wird das schwarz auf weiß gedruckte Programm durch den Zusatz ergänzt ’Alte Tradition - Regen’. Die Schützen der Gemeinde an der Ruhr haben nie über mangelnde Besucherzahlen zu klagen gehabt. Der neuerlich geplante Zusatz wird sicher zur weiteren Steigerung beitragen. Außerdem kommt man der Wahrheit sehr nahe: Mit Ausnahme des Jahres 1959 hat es in Wimbern seit Menschengedenken kein regenloses Schützenfest gegeben."
Auch wenn die St. Johannes Schützen im allgemeinen recht traditionsbewußt sind, dürfte ihnen der Abschied von dieser Gewohnheit nicht schwergefallen sein - seit dem Bau der neuen Schützenhalle jedenfalls meinte es Petrus besser mit den Besuchern der Wimberner Feste.
Mit der Gründung des eigenständigen Sportschießclubs "Wildschütz Wimbern" begann 1960 eine sehr freundschaftliche Verbindung, die bereits im folgenden Jahr erste Früchte trug: die Sportschützen, die für die St.Johannes Bruderschaft angetreten waren, siegten beim Bezirksschießen.
Im Januar 1962 wurde eine außerordentliche Generalversammlung in die Gastwirtschaft Fildhaut einberufen, weil das Vogelschießen gemäß einer neuen Verordnung nicht mehr ohne Kugelfang durchgeführt werden durfte. Nach einer Ortsbesichtigung entschloß man sich, das Ringen um die Königswürde von der Vogelstange unter dem Wimberner Stühlchen - die übrigens noch heute steht - an die Böschung der Großkettler’schen Wiese am Wimberner Bach zu verlegen. Deshalb schlossen sich die St.Johannes Schützen auch nicht dem Antrag des damaligen Bundesmeisters und heutigen Ehrenbezirksbrudermeisters Griesenbrock auf einem Treffen der Schützenbruderschaften des Amtes Menden an, gemeinsam einen fahrbaren Kugelfang anzuschaffen. Die Kosten für den Bau eines eigenen, feststehenden Kugelfangs scheinen nicht besonders hoch gewesen zu sein, sonst hätte die Bruderschaft den günstigen Bierpreis der Vorjahre von 35 Pfennigen sicher nicht halten können. Es fiel sogar noch genügend Geld ab, um einige Meter Tuch für grün-weiße Schützenfestfahnen zu kaufen.
Abbildung 59: Vogelschießen am Wimberner Stühlchen in den 50er Jahren. Damals gab es weder einen Kugelfang noch Befestigungen für die Gewehre.
Abbildung 60: Der Schützenvorstand von 1962, v.l.n.r.: sitzend: Franz Risse, Firtz Osterhaus, Otto Großkettler-Schulte, König Gerhard Coerdt, Karl Köttendorf, Willi Schulte, stehend: Franz Goeke, Heinz Schumacher, Franz Fischer, Alfred Luig, Franz Korte.
Abbildung 63: Schützenfest 1962 - v.l.n.r. stehend: Hubert Zimmermann, Heinz Schumacher, Josef Coerdt, Willi Schulte, Franz Korte, Karl Köttendorf, Gerhard Coerdt, Heinz Kirch, Alfons Goeke, Franz Risse, Alois Boike, sitzend: Frau Boike, Gertrud Zimmermann, Vikar Agethen, Königspaar Ida Jahn und Hubert Grundmeier, Theresia Grundmeier, Clemens Jahn, Irmhild Kirch, Anni Goeke
Die außerordentliche Versammlung im Winter 1961/62 muß den Schützenbrüdern so gut gefallen haben, daß sie von ihrer Gewohnheit abwichen, ihre Jahrestreffen am Ostermontag abzuhalten. So kam es bereits im Januar 1963 zu Vorstandsneuwahlen, in deren Verlauf Karl Köttendorf, der seit 1954 als Brudermeister amtiert hatte, von Franz Korte abgelöst wurde. Daß aber die Generalversammlungen jener Jahre nicht immer nur in harmonischer Weise verliefen, beweist ein Beschluß jener Sitzung, der besagt:
"Wenn ein Mitglied die Versammlung stört, kann ihm das Wort entzogen werden."
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